30.6-2.7.2006 Tuska Festival @ Kaisaniemenpuisto, Helsinki (Deutsch) (Musicalypse Archive)

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Wenn es Zeit ist für das Tuska Open Air in Helsinki, pilgern jedes Jahr tausende Metalfans nach Helsinki – und die kommen keineswegs nur aus Finnland, sondern reisen europa- oder sogar weltweit an. Drei Tage lang wird aus Helsinki dann im wahrsten Sinne des Wortes Hellcity mit dem Festivalgelände im Herzen der Stadt, verkehrsgünstig gelegen direkt hinter dem Hauptbahnhof. Im näheren Umkreis finden jeden Abend nach dem Festival allerlei Aftershow Parties mit noch mehr Bands in den verschiedenen Metal Kneipen und Konzerthallen statt. Die Metal-Kneipendichte kann einem da wirklich schon die Tränen in die Augen treiben – denn wo sonst könnte man vor der Qual der Wahl stehen, wenn man an einem einzigen Abend theoretisch gesehen zu vier oder mehr Konzerten gehen könnte, die allesamt mit hochkarätigen Bands besetzt sind? [ed 2021: we’re still hoping to recover the gallery! Check back soon for more pictures]

Genug davon und jetzt erstmal schön der Reihe nach: 2006 war es auch für uns an der Zeit uns das berühmt berüchtigte Festival im Norden einmal näher anzuschauen und nach einem kurzen Flug mit Ryanair nach Tampere und einer beinah genau so langen Busfahrt in die Hauptstadt, quartierten wir uns quasi um die Ecke vom Festival ins Hotel ein. Allzu oft hat man diesen Luxus nicht: Morgens einfach aus dem Bett fallen und 5 Minuten später ist man bereits auf dem Festivalgelände. Ohne Hotel ging es allerdings (leider) auch nicht wirklich, denn ein Campinggelände hat das Tuska nicht vorzuweisen. Wohl dem, der sich zeitig um ein Zimmer gekümmert hat.

Flugs die Koffer ausgepackt und schon war es an der Zeit sich auf den Weg zum ersten Gig zu machen: Das legendäre Tavastia lud zum Festival Warm-Up mit MANITOU, BEFORE THE DAWN, 45 DEGREE WOMAN und TACERE (die für die krankheitsbedingt verhinderten ENTWINE eingesprungen waren) ein. Die Namen der meisten Bands werden vielen Metalheads außerhalb Finnlands vielleicht (noch) nichts sagen, aber es sind Bands, die man allesamt im Auge behalten sollte!

Den Anfang machten TACERE, die irgendwo in die Prog/Power Metal Schublade passten und mit Sänger und Sängerin (die auch gut und gerne bei einem Tarja Turunen Lookalike Wettbewerb hätte mitmachen können) antraten. Die erste Band hat es nie leicht, besonder nicht in Finnland, wie man recht schnell merken sollte. Bevor nicht ein gewisse Alkoholpegel erreicht ist, trauen oder bewegen sich viele wohl gar nicht erst vor die Bühne. Tacere jedoch ließen sich davon wenig beeindrucken und legten eine ordentliche Spielfreude an den Tag. Als Lohn dafür, sprang dann endlich, während der letzten zwei oder drei Songs der Funke so langsam über. Kein schlechter Start!

Nach einer kurzen Umbaupause war es an der Zeit für BEFORE THE DAWN. Sie überzeugten wesentlich schneller und zogen bereits mehr Publikum vor die Bühne. Die einnehmende Bühnenpräsenz von Sänger Tuomas Saukkonen war daran sicherlich nicht ganz unschuldig. Vom aktuellen Album wurden u.a. das großartige “Black Dawn” und “Ghost” dargeboten – was ein genialer Livesong! Gitarrist Juho Räihä hatten wirklich Hummeln im Hintern und erwies sich definitiv als der bewegungsfreudigste und headbangte während des gesamten Gigs als gäbe es kein Morgen mehr. Daumen hoch!

Before the Dawn

Und wieder ein Umbau, bevor es mit MANITOU weitergehen sollte, die außerhalb Finnlands allenfalls als Geheimtipp bekannt sein dürften. Sollte man jedoch eine gute Heavy/Progband aus dem Land der Tausend Seen empfehlen, so wären sie eine der ersten, die mir einfielen. Kraftvoll und mit einer Menge Spaß inne Backen präsentierte die Truppe ihr Material und mittlerweile war vor der Bühne auch eine größere Meute anzutreffen, die bereitwillig steil ging.

Die Zeit schien am ersten Abend wirklich wie im Fluge zu vergehen, denn ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass es schon an der Zeit für die letzte Band war: 45 DEGREE WOMAN. 45 Grad waren zu diesem Zeitpunkt nicht nur Bestandteil des Bandnamens, sondern höchstwahrscheinlich auch in etwa die Temperaturen, die mittlerweile im Club herrschten. Tja, die Finnen mögen ihre Sauna wohl so sehr, dass sie auch während eines Konzerts nichts darauf verzichten wollen. Aber wie heißt es so schön „ein Konzert ist kein Kindergeburtstag“ – wenn interessiert’s also?! Der Umbau zog sich dieses Mal ein wenig in die Länge und vorne an der Bühne war ein riesiger schwarzer Vorhang angebracht worden, so dass man allenfalls erahnen konnte, was dahinter vor sich ging. Der Gig startete dann auch teils hinter geschlossenem Vorhang, bis dann endlich der Blick freigegeben wurde. Als erstes stach da wohl die Position des Schlagzeugs ins Auge, welches am rechten Bühnenrand positioniert worden war. Zu Beginn war die Stimmung recht verhalten, was zu einem nicht unerheblichen Teil daran gelegenhaben mag, dass die Band hauptsächlich ruhigere und langsamere Songs zum Besten gab. Als jedoch die groovigeren und schnelleren Stücke gespielt wurden, taute die Menge sichtlich auf und feierte sie nach allen Regeln der Kunst ab. So wurde aus diesem Auftritt definitiv einer, der einem Headliner würdig war.

Enochian Crescent

Damit wäre der Sind und Zweck dieses Abends erfüllt: Die Meute war aufgewärmt für das, was am nächsten Tag auf die warten würde: Der Beginn des Tuska Open Airs. Da tat man wirklich gut daran, wenn man sich ins Hotel verzog, um noch ein paar Stündchen Schlaf zu bekommen, denn die nächsten Tage sollten verdammt anstrengend werden und Schlaf wurde zur absoluten Mangelware.

Freitag

Wie bereits erwähnt war es verdammt praktisch das Hotel so nah am Festivalgelände zu haben. So fiel man irgendwann aus dem Bett und schlenderte gemütlich gen Kaisaniemi Park. Verlaufen konnte man sich so oder so nicht, denn die Massen an schwarz angezogenen Metalheads waren nicht zu übersehen. Vor dem Einlass hatten sich bereits lange Schlangen gebildet, die sich jedoch zügig vorwärts bewegten und wer sich nicht die Beine in den Bauch stehen wollte, saß gemütlich im Schatten und sah dem bunten Treiben zu.

IMPALED NAZARENE hatten die Ehre oder undankbare Aufgabe – je nachdem wie man das sehen möchte – das Festival zu eröffnen. Das Publikum war trotz Sonnenschein und früher Tageszeit bereits zahlreich vor der Hauptbühne erschienen und so konnten die Finnen ihre Mucke in die Menge ballern. Definitiv ein recht intensiver Warm-Up für das Festival, so konnte es gerne weitergehen.

Impaled Nazarene

Danach war rennen angesagt, denn auf der Sue Stage standen bereits MOKOMA in den Startlöchern. Einer der bekanntesten Songs dieser Truppe dürfte wohl „Takatalvi“ sein und natürlich wurde dieser Song freudig begrüßt. Hier stand also erst die zweite Band des Tages auf der Bühne, aber das Publikum ging bereits steil, als hätte es einen Festivaltag hintner sich. Der treibende Thrash/Speed Metal Mix kam also bestens an und Band, sowie Fans hatten eine gute Zeit, Daumen hoch! ANATHEMA schlugen anschließend auf der Hauptbühne ganz andere aber nicht minder überzeugende Töne an. Trotz strahlenden Sonnenscheins gelang es ihnen mit ihrer intensiven Musik dem Publikum einige wohlige Schauer über den Rücken zu jagen und Gänsehaut zu erzeugen. Geboten wurde ein bunter Mix an Songs von verschiedenen Alben und los ging es mit vier Stücken vom tollen “Alternative 4” Album. Auch ruhige Songs kamen genauso zum Zug wie schnellere Stücke.

Mokoma

Es war Zeit für die Paradisvögel des Festivals – DEATHSTARS aus Schweden fielen mit ihren eher glamrockigen Outfits doch ein wenig aus dem Rahmen unter all den anderen Bands und so manch einer hatte sicherlich Zweifel, was da wohl kommen würde. Aber die Jungs hatten das Publikum recht schnell in der Hand und spätestens nach dem Gig waren auch die letzten Zweifler überzeugt. Das Publikum war recht jung und in den ersten Reihen, waren, wie fast zu erwarten, fast ausschließlich Mädels vertreten, die ordentlich in den Schminktopf und Kleiderschrank gegriffen hatten. „Blitzkrieg“, „Tongues“ und „Cyanide“ zündeten jedenfalls ordentlich.

Und schon war es an der Zeit für SONATA ARCTICA. Woran auch immer es liegen mag, live funktioniert diese Band einfach nicht so. Ob es daran liegt, dass die Stimme von Tony Kakko live nicht an die Qualität der Studioaufnahmen heranreicht, man weiß es nicht. Die Band jedenfalls legte sich ordentlich ins Zeug und verbreitete gute Laune. “Black Sheep” sorgte für eifriges Mitsingen, ebenso wie “Tallulah” oder das mitreißende “My Land”. Alles in allem war das definitiv einer der besten Gigs, den ich von ihnen bis dato gesehen hatte.

Sonata Arctica

WINTERSUN standen nun im Anschluss auf einer der beiden Zeltbühnen und ließen diese wirklich aus allen Nähten platzen. Beim nächsten Mal gehören die Jungs wirklich auf die Hauptbühne. Die Setlist hielt keine großen Überraschungen parat, hat die Truppe doch noch keine allzu lange Karriere hinter sich und erst ein Album veröffentlicht. Die Finnen konnten schnell mit fehlerlosem Spiel und einer Menge Spaß überzeugen. Was dem Gig letzten Endes die Krone aufsetzte war eine SLAYER Coverversion von „Angel of Death“, die an und für sich gar nicht so außergewöhnlich war. Viel ungewöhnlicher war da schon das Outfit von ENSIFERUM/NORTHER Sänger Petri Lindroos, der zu diesem Stück als Gastsänger auf die Bühne kam. Er trug einen Minirock, der seinem Namen wirklich alle Ehre machte. Noch knapper hätte der wirklich nicht sein können. Das sorgte natürlich für ordentlich Lacher im Publikum, herrlich!

Wintersun

Wer danach noch genug Energie hatte, machte sich auf zu einer der zahllosen Aftershow Parties, die über die ganze Stadt verstreut stattfanden. Im Nosturi baten SCORCHED EARTH TACTICS, ENOCHIAN CRESCENT, SILENTIUM und KORPIKLAANI zum Tänzchen.

Samstag

Tag eins des Festivals ging schnell vorbei und schon war die viel zu kurze Nacht wieder vorbei und es war wieder einmal an der Zeit sich auf den Weg zum Kaisaniemi Park zu machen. Tag zwei wurde von den Finnen STAM1NA eröffnet. Auch sie konnten, ähnlich wie Impaled Nazarene am Tag zuvor, auf eine bereits zahlreich anwesende Meute blicken. Während es für die meisten Finnen nicht sonderlich außergewöhnlich war diese Truppe live zu sehen, stellte sich bei mir wie schon so oft dieses „endlich seh’ ich sie mal live“ Gefühl ein und auch Stam1na enttäuschten nicht. Die Jungs wärmten die Menge jedenfalls ordentlich auf und bereiteten sie auf das vor, was noch kommen würde. Nebenbei bemerkt konnte man hier ohne große Probleme seinen finnischen Schimpfwort Schatz um einige Wörter erweitern.

Stam1na

Und wieder ging´s zur Sue Stage, wo nun PAIN CONFESSOR die Zuschauer in Empfang nahmen. Ihr Album “Turmoil” war im letzten Jahr mit eine der Melodeath Überraschungen des Jahres gewesen. Bevor nun jemand aufschreit, nein, die Jungs haben das Rad nicht neu erfunden, das gibt es in diesem Genre so oder so recht selten – besonders in Finnland – aber sie wissen, wie man diese Mixtur überzeugend und mit einer Menge Energie ins Publikum ballert! Live funktionieren diese Stücke genauso gut wie auf CD. “Soul Eraser” sorgte für ordentlich Bewegung im Publikum. Daumen hoch!

Noch mehr finnische Bands gefällig? Aber gerne doch, auf der Hauptbühne waren DIABLO bereit um den Park in eine Metalhölle zu verwandeln. Auch hier wurde Melodeath zum Besten gegeben und es klang dennoch ganz anders als das, was PAIN CONFESSOR vor nicht einmal zehn Minuten geboten hatten. Die meisten waren wohl zumindest mit ihrem neusten Album “Mimic 47” vertraut und wohl auch mit dem 2004er Album “Elenium”, welches ihnen damals zum Durchbruch in ihrem Heimatland verholfen hat. Eines der Highlights war sicherlich das mitreißende “Read My Scars”. Ein äußerst energiegeladener Gig, bei dem die Fans so richtig steilgingen und eine riesige Party feierten. Die Tatsache, dass eigentlich keine der Bands bisher vor nur wenigen Nasen hatte spielen müssen und keine Stimmungsflaute herrschte, zeigte, dass die Organisatoren wirklich ein gutes Gespür bei der Zusammenstellung des Line-Ups hatten.

Diablo

Mal eben schnell zur Sue Stage, um ein paar Songs vom NORTHER Gig zu erhaschen, den Sänger Petri Lindroos heute nicht im Minirock absolvierte. NORTHER zeigten recht schnell, dass sie momentan zu einer der angesagtesten Bands in Finnland zählen, denn auch hier war die Tentstage wieder zum Bersten gefüllt. Los ging es mit “Throwing My Life Away”, welches auch gleichzeitig der Opener des aktuellen “Till Death Unites Us” Album ist. Es folgten “Norther” und ”Blackhearted”, wobei der Fokus der Setlist auf dem neuen Album lag. Auch “Omen” mit cleanen Vocals, welche von Kride beigesteuert wurden, wurde zum Besten gegeben. Da kann man nur hoffen, dass es in Zukunft noch mehr Songs mit cleanen Einsprengseln geben wird, denn das klang wirklich nicht schlecht!

Norther

Danach war eine kurze Pause angesagt, denn wenig später war es bereits an der Zeit für AMORPHIS auf der Radio City Stage. Bereits im April hatte ich die Finnen in Frankreich zum ersten Mal mit ihrem neuen Sänger Tomi Joutsen gesehen und war bereits nach einem Song total vom neuen Mann am Mikro überzeugt. Auch hier wurde wieder einmal klar, dass man wirklich keinen besseren Ersatz für Pasi Koskinen hätte finden können – eine Menge Charisma, Bühnenpräsenz und Energie, die perfekte Mischung! AMORPHIS enterten die Bühne und hatten die Menge bereits nach wenigen Tönen in ihren Bann gezogen, unglaublich! Tomi Joutsen hatten somit ein leichtes Spiel die Menge in Fahrt zu bringen. Präsentiert wurde ein bunter Mix aus alten und neuen Songs und Stücke vom aktuellen „Eclipse“ Album kamen genauso gut an, wie alte Stücke vom legendären „Tales From A Thousand Lakes“ Album.

Amorphis

Danach war dann für uns die erste nicht-finnische Band des Tages an der Reihe: METSATÖLL aus Estland. Estland mag ein kleines Land sein und die wenigsten haben es wohl auf ihrer Metal-Landkarte, aber dort gibt es eine kleine, aber feine Metealszene, die man sich ruhig einmal näher anschauen sollte. METSATÖLL gehören sicherlich zu den bekannteren Exporten (eine weitere Band sollte später noch auf der Aftershow Party auftreten: HORRICANE – ebenfalls ein guter Anspieltipp!). Sänger Markus lieferte eine tolle Leistung ab und die Instrumente selbst gestalteten den Gig recht interessant, da auch einige metal-untypische, traditionell estnische Instrumente zum Zug kamen. Ab und an konnte man Ähnlichkeiten zu den finnischen KORPIKLAANI erkennen, nicht nur wegen der Instrumente, sondern auch weil Raivo Yoik-Gesang verwendete. Definitiv eine der Überraschungen des Festivals, hier haben METSATÖLL sicherlich einige neue Fans gewinnen können!

Und wieder ganz schnell zur anderen Bühne, denn nur war es an der Zeit für die schwedischen Proggötter OPETH. Muss man über diese Band eigentlich noch viel sagen? Momentan gehören sie wohl mit zu den Besten Bands, die das Prog-Genre zu bieten hat. Wie schon so oft, gelang es ihnen auch hier im Handumdrehen die Zuschauer in ihren Band zu ziehen – Sänger Mikael Akerfeldt weiß schon, wie er die Zuhörer verzaubert. Das großartige “Grand Conjuration” vom aktuellen Album “The Ghost Reveries”, fügte sich nahtlos in die Riege älterer Stücke “White Cluster” vom “Still Life” Album oder “Leper Affinity” ein.

KALMAH hatten danach die „zweifelhafte“ Ehre die erste Band zu sein, die wir auf der Inferno Stage sehen würden. Zweifelhaft, warum? Nunja, die Bühne ist einfach zu klein und der Fotograben noch viel kleiner. Das macht auch der schöne Sternen(zelt)himmel nicht besser. Aber genug davon. Das Zelt war, wie bereits zu erwarten war zum Bersten gefüllt und KALMAH konnten somit vor vollem Haus spielen. Kalmah sind eine der finnischen Melodeath Bands, denen es tatsächlich gelungen ist, sich aus dem „Children of Bodom Klon Kreis“ zu lösen und sich einen eigenen Stil zu erspielen. (nicht, dass sie das jemals in dem Maß waren, wie man es ihnen zeitweise vorgeworfen hatte…). „Swamp Hell“ und „Black Waltz“ sorgten für ordentich Bewegung im Zelt und so manchem einem wurde es sicherlich noch heißer, als es eh schon war.

Sonntag

Der Sonntag sollte der wohl härteste Tag des gesamten Festivals werden. Nicht etwa, weil einem die letzten beiden Tage in den Knochen steckten (ok, vielleicht auch das), aber an diesem Tag spielten so viele Bands, die man unbedingt sehen sollte, dass das große Rennen angesagt war. Und selbst das sollte sehr oft nicht helfen, da die ein oder andere Überschneidung nicht zu vermeiden war. So ging es also auf zum letzten Tag dieses – trotz des Hin- und Herrennens recht relaxten Festivals.

Den Anfang machten heute MENDEED aus Schottland, deren neues Album „This War Will Last Forever“ wohl eine der größeren Überraschungen dieses Jahres war. Metalcore meets IRON MAIDEN, war die Beschreibung, die ich gehört hatte, bevor ich auch nur einen Ton der Band zu Ohren bekommen hatte. Das und die Tatsache, dass es Metalcore seins ollte, machte doch recht skeptisch, war Metalcore doch nicht gerade das, was ich als mein Lieblingsgenre bezeichnen würde. Aber was soll man da noch sagen, live wie auch auf CD konnten die Schotten mich und sicherlich noch einige Andere eines Besseren belehren. Es war wirklich ein Vergnügen die Truppe live zu sehen und das Publikum feierte die Jungs zu Recht ab. Daumen hoch, von denen werden wir sicherlich noch einiges hören!

Zwei oder drei Songs von Mendeed mussten leider ausgelassen werden, denn es hieß rechtzeitig an der Inferno Stage zu sein, wo nun VERJNUARMU aus Kupio spielen sollten. Dort angekommen, wurde recht schnell klar, dass es verdammt schade war, nicht beide Gigs in voller Länge sehen zu können, denn die Jungs aus Kuopio präsentierten ziemlich interessante Mucke, die allesamt im Savo Dialekt gesungen wurden. Neben dem ungewöhnlichen Gesang, fielen auch die Outfits ein wenig aus dem Rahmen – gleich so, als wären sie aus einem Burton Horrorfilm entsprungen, mit Corpsepaint. Optisch wie musikalisch eine sehr unterhaltsame Nummer.

Eine Kulttruppe aus Deutschland enterte die Hauptbühne und es war recht beeindruckend zu sehen, wie viele Fans da angerückt waren, um die Thrashband SODOM abzufeiern. Noch interessanter war allerdings, wie textsicher die Finnen bei deutschen Texten wie „Der Wachturm“ waren. Damit war klar, dass Sodom hier in Suomi eine solide Fanbasis haben. MOTÖRHEAD wurden mit „Ace of Spades“ gecovert und auch „Ausgebombt“ (wieder mit lautstarkem finnischem Publikumschor) und „Outbreak of Evil“ ballerten ordentlich in der gleißenden Sonne.

Nach der Thrashattacke stand jetzt eine recht schwierige Entscheidung an: Brutalo Sound mit GOJIRA auf der Sue Stage oder Doom mit SWALLOW THE SUN auf der Inferno Stage? Da ich Gojira kurz zuvor bereits in Frankreich gesehen hatte, entschied ich mich zunächst einmal für die Finnen und ihren Deathdoom auf der Inferno Bühne – vor allem, da ich noch nicht in den Live Genuss gekommen war und recht gespannt war, wie die langen Doomsongs live wohl ankommen würden. Was kann man da sagen? Sie funktionierten hervorragend! Los ging es mit „The Giant“ und der zog das Publikum vom ersten Ton an in seinen Bann. Sänger Mikko Kotamäki zeigt sich, im Gegensatz zu seinen Bandkollegen recht bewegungsunfreudig und klebte beinah an seinem Mikroständer. Das alles in einem recht ungewöhnlichen Outfit, welches als Gothic meets Cowboy durchginge. So oder so, nahm man das nach einer Weile sowieso nicht mehr wahr, denn “No Light, No Hope“ und „Deadly Nightshade“ entführten die Zuschauer in eine winterliche Landschaft, die einen fast vergessen ließen, dass dort draußen verdammt heiße Sommertemperaturen herrschten.

So ganze wollte ich GOJIRA dann aber doch nicht sausen lassen und so wurden STS um zwei Songs gekürzt. Damit war es mir möglich noch zwei Songs der wohl brutalsten und verdammt brillianten Franzosen zu erhaschen. GOJIRA verstehen es bestens, agressive Parts mit technischen Finessen zu verbinden und machen ihr Publikum immer, im wahrsten Sinne des Wortes platt. Auch zwei Stücke reichten aus, um wieder einmal einen guten Eindruck zu hinterlassen – auch hier: Daumen hoch!

Auf der Mainstage wurde es nun wieder so richtig Finnisch: TAROT waren an der Reihe. Außerhalb Finnlands sind sie wohl weniger bekannt, aber in ihrem Heimatland zählen sie sicherlich mit zu einer der bekanntesten Bands, wenn nicht gar die Power Metalband. Was einen nach über 20 Jahren nicht erstaunen sollte. Die Meisten kennen allerdings mit Sicherheit zumindest den Sänger: Marco Hietala, der auch Bassist und Vocals bei NIGHTWISH übernimmt. Hier also war meine Chance gekommen ihn einmal zusammen mit seinem Bruder und seiner anderen Band live zu sehen. Das Publikum war im Nu auf Betriebstemperatur. Während Marco bei NIGHTWISH eine tolle Gesangsleistung abliefert, schien er hier nochmal besser zu singen und seine Stimme passte schlichtweg perfekt. „Wings of Darkness“ und „Pyre of Gods“ sorgten für Begeisterung, ebenso wie „I Rule“ – auch hier zeigt sich das Publikum wieder ziemlich textsicher. Definitiv einer der Hightlight Auftritte des Festivals, auch wenn es sicherlich schwer fiel, hier einen absoluten Favoriten herauszugreifen. Sobald das Ende des Festivals näher rückte, schien die Zeit regelrecht zu fliegen und so war es auch schon an der Zeit für die letzte Band des Tages, bzw. des Festivals (falls man nicht noch zu einer der zahlreichen Aftershow Parties ging). CELTIC FROST fiel die Ehre zu das Festival zu beenden. Da Sänger Tom Gabriel Warrior noch zu Beginn des Monats gesundheitlich sehr angeschlagen war und daher den Auftritt beim Rock Hard Festival hatten absagen müssen, war es natürlich doppelt erfreulich die Band heute hier sehen zu können. Der Schwerpunkt der Setlist lag auf älteren Songs und lediglich zwei Songs des aktuellen Albums wurden zum Besten gegeben. Der Boden des Kaisaniemi Parks dröhnte ein letztes Mal, bevor es hieß: Ende des Tuska Open Air 2006.

Wie bereits erwähnt war natürlich im Anschluss noch genügend Gelegenheit zum Feiern und das ließen sich die Wenigsten nehmen, denn die Aftershow Locations waren wirklich voll! Im Tavastia spielten: Sten Plays Stone, die bereits erwähnten Horricane aus Estland und Amoral – Letztere hatten Jeff Walker von Carcass als Gastsänger auf der Bühne und beendeten den Partyabend mit ordentlichem Geknüppel.

Was ließe sich da abschließend noch sagen?

Das Festival hat einen äußerst positiven Eindruck hinterlassen: Fans, Bands, Atmosphäre und die gesamte Organisation waren wirklich klasse.

Interessanterweise gab es beim Festival keine Crowdsurfer – das war insofern erstaunlich, als dass man bei einem Festival in Deutschland kaum das Crowdsurfen verbieten würde. Im Nachhinein betrachtet ist das aber wirklich eine nette Angelegenheit, denn man kann die Shows wirklich genießen, ohne, dass einem plötzlich ein Crowdsurfer in den Nacken kracht. Die Security Jungs gehörten sicherlich zu den coolsten und entspanntesten, die ich bisher gesehen hatte. So und nicht anders sollte man diesen Job machen, dann geht’s auch auf beiden Seiten entspannt und spaßig zu!

Des Weiteren hat das Festival bezüglich alkoholischen Getränken eine Regelung getroffen, die recht erstaunlich ist und wohl eine Menge Besucher sehr gefreut hat: Es war möglich eigenen Alkohol mitzubringen. Das war nicht nur in sofern praktisch, dass man sich den Weg in den eigens abgetrennten Bereich für Alkohol sparte, sondern der Geldbeutel freute sich bei den nicht gerade niedrigen finnischen Preisen auch.

Auch wenn am Eingang die üblichen Taschenkontrollen stattfanden, ging es schnell voran und die langen Schlangen vor dem Einlass sahen schlimmer aus, als sie letzten Endes waren. Die Shows auf den drei Bühnen liefen reibungslos ab – nur schade, das Überschneidungen kaum zu vermeiden waren. Am Fotograben der Inferno Stage sollte man 2007 allerdings etwas ändern, denn der war wirklich ziemlich klein geraden. Mehr als 15 Fotografen konnte da nicht rein und wer nicht pünkltlich von den anderen beiden Bühnen zur Inferno Stage gesprintet war, kam oft gar nicht rein. Wichtig zu erwähnen wäre auch der Sound, der oft bei Festivals eine leidige Sache ist : Das Tuska hat jedenfalls gezeigt, dass es möglich ist einen guten bis sogar sehr guten Sound bei einem Open Air zu haben.

Alles in Allem also war das Festival ein voller Erfolg – für das nächste Jahr steht das Tuska Open Air bereits im Kalender!

Text & photos by Cornelia Wickel
Musicalypse, 2006
OV: 16,231

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